Ihre Finger blätterten schnell durch die Seiten, während ihre Augen die Bilder überflogen.
Es war das Hochzeitsalbum von Claudia & Olli. Wie gerne denke ich an diese Hochzeit zurück. Die angespannte Vorfreude am Morgen. Das strahlende Lächeln, als sie sich in der Kirche zum ersten mal sahen. Die innigen Umarmungen während des Paarshootings. Die ausgelassene Stimmung am Abend. Und die große Wertschätzung mir gegenüber. Das freundschaftliche Verhältnis, das uns seit dem verbindet.
Ich glaube, sie sah nichts davon, obwohl es auf jedem Bild spürbar gewesen wäre.
Wir standen schon ein paar Wochen in eMail Kontakt und hatten schon ein paar Mal telefoniert. Ich freute mich auf unser Vorgespräch, wie ich mich immer darauf freue, neue Brautpaare kennenzulernen und über ihre Hochzeit zu sprechen.
Es sind immer interessante Gespräche. Voller Erinnerungen an damals und Vorfreude, auf das was kommt. Meistens erzähle ich meinem Mann danach von den kleinen Anekdoten, den süßen Kennenlerngeschichten und den großen Plänen. Schwärme von den tollen Menschen, die mich besucht haben, die mich in ihr Leben lassen und deren Hochzeit ich fotografieren darf.
Dieses mal war es anders. Das spürte ich nach wenigen Sekunden. Leider hatte der Bräutigam keine Zeit. Es war ihm etwas dazwischengekommen. Die erste Enttäuschung, denn zu einem Brautpaar gehören immer zwei und ich möchte natürlich beide kennenlernen. Aber gut, das Leben passiert und wir können uns ja noch einmal treffen.
Wie alle meine Brautpaare nahm sie auf meiner Couch platz, ich machte Kaffee und noch bevor ich mich zu ihr setzte, spürte ich, was das war.
Es war ein Bewerbungsgespräch. Und ich war die Bewerberin.
Die Braut saß da, einen Block und einen Stift auf ihrem Schoß, öffnete mit Bedacht den Block und begann mit ihrem Fragenkatalog.
Was habe ich für eine Ausbildung?
Was habe ich für einen fotografischen Stil?
Mit welchem Kameramodell fotografiere ich?
Wie viele dieser Kameras habe ich auf Hochzeiten dabei?
Wie viele Megapixel hat meine Kamera?
Mein Magen wurde schwer, aber ich gab noch nicht auf. Warum habt ihr euch für diese Location entschieden? Wie lange seid ihr schon ein Paar? Hast du schon ein Brautkleid? Oh, das hört sich ja schön an! Ich liebe Pfingstrosen auch!
Wie sind meine Stornobedinungen?
Warum kann eine Hochzeit nicht kurzfristig storniert und die Anzahlung erstattet werden?
Warum ist das Verlobungsfotoshooting nicht optional?
Kann man das Album nicht weglassen und dafür den Preis senken?
Können wir auf eine Rechnung und die Umsatzsteuer verzichten?
Ich wusste nicht, warum dieses Gespräch stattfand. Es war klar, dass sie nicht mich als ihre Fotografin bei ihrer Hochzeit wollte.
Sie wollte irgendeine Fotografin und hatte die selben Fragen sicher schon vielen meiner Kollegen gestellt.
Nach einer Stunde war das Gespräch beendet. Ich blieb noch ein bisschen im Studio, obwohl es Freitag Abend war, und ich dachte nach.
Ein paar Tage zuvor hatte ich ein wunderbares Verlobungsshooting mit Harriet und Patrick. Wir gingen zwei Stunden spazieren, wir lachten viel, ich spielte mit ihrer Hündin Maja. Ohne Anstrengung, fast nebenbei, entstanden wunderschöne Bilder. Voller Liebe, Emotionen, Harriets Kichern, Patricks Umarmungen. Authentische Bilder, genau wie die Beiden sind. Nach dem Shooting war ich glücklich, obwohl ich an diesem Tag 11 Stunden gearbeitete hatte.
Könnte ich dieser Braut auch solche Bilder bieten?
Nach dem ich eine Nacht darüber geschlafen hatte, entschied ich mich, die Hochzeit abzulehnen. Meine Brautpaare sind keine Termine in meinem Kalender. Es sind Paare wie Harriet und Patrick, die in kleinen Gesten lieben und bei denen die große Liebe deshalb umso spürbarer ist.
Es sind die vielen wunderbaren Menschen, auf die ich mich schon Wochen und Monate vorher freue. Bei denen ich mitfiebere, bei deren Hochzeiten mein Herz voll ist und ich mich nicht als Dienstleister fühle.
So viel Begeisterung hat jedes Brautpaar verdient. Daran glaube ich aus tiefstem Herzen.
So sehr, dass ich lieber auf eine Hochzeit verzichte, als die falsche Fotografin für das falsche Paar zu sein.
PS: Viele der Fragen, die mir diese Braut stellte, waren wirklich gut und wichtig. So wichtig, dass sie auch im Vertrag beantwortet werden, den ich mit jedem Brautpaar schließe.
Aber ein Vorgespräch ist ein bisschen wie ein erstes Date. Am Anfang beschnuppert man sich und stellt fest, ob man zusammenpasst. Und erst dann spricht man über Kindernamen und das Jahresgehalt.
Wow….du hast es wiedermal sooo toll geschrieben! Ich kann dich voll und ganz verstehen
Vielen Dank liebe Andrea!
Der Artikel fiel mir nicht so leicht, aber ich hatte das Gefühl, ihn schreiben zu müssen ❤️
Ich hätte genauso entschieden!
Ein schöner Erfahrungsbericht und deine Bilder im Post sind unbeschreiblich schön!!!
Genial geschrieben – das ist soo authentisch und voll von Gefühl geschrieben so vill von Ausdruck Deinerselbst dass es mich tief berührt. Dass ich beim Lesen soo mitfühlen kann DANKE Lydia
Vielen Dank lieber Bernhard! Ich war schon etwas nervös vor den Reaktionen, aber das freut mich wirklich sehr!!
Vielen Dank liebe Arnica!
Die Beiden sind einfach ganz ganz wunderbar ❤️